Hajo Ortil


Geboren:
Gestorben:
10.01.1905 im Harz
12.07.1983 in Bremen

Bürgerlicher Name: Hans-Joachim Oertel.
Hajo Ortil studierte Anglistik und Sport in Göttingen. 1934 promovierte er mit einer Arbeit über George Berkeley und die englische Literatur. Anschließend unterrichtete Ortil an einer Oberschule in der Dechanatstraße in Bremen.
Unter dem Nazi-Regime war er zeitweise in Haft (1) und hatte Berufsverbot als Lehrer. Ortil wurde nach Wien (Österreich) geschickt (2) und lernte dort 1944 den deutschen Schriftsteller Herbert Rittlinger in einem Wiener FKK-Verein kennen. Nach Beendigung des Krieges ging Ortil noch im Jahr 1945 wieder zurück nach Bremen, wo er wieder eine Anstellung als Lehrer in einem Gymnasium bekam.

Durch Herbert Rittlinger lernte er bereits in Wien den Kanusport kennen. 1949 bekam Ortil von Rittlinger ein Klepper-Faltboot vom Typ »Blauwal« (3).
Am 23. Juli 1949 (4) starteten Hajo Ortil, Herbert Rittlinger, dessen Frau Marianne und drei Jugendliche auf der Böhme bei Soltau zu einer Wanderfahrt mit Faltbooten und Zelten. Die Route führte von Soltau bis an die Elbmündung bei Otterndorf.

1950 übernahm Hajo Ortil das Amt des Vorsitzenden des BfnL (Bund für naturgemäße Lebensführung e.V.) Bremen. Die von ihm 1949 gegründeten »Hansischen Piraten« waren eine Jungen- und Mädchengruppe innerhalb dieses Vereins. Von diesen 12 bis 18 jährigen Jugendlichen wurde Ortil »Big Old Joe« genannt. Diese Piratengruppe war die Keimzelle des „Kanusportring Bremen und Bremerhaven e.V.”

Die Fahrtenchronik der Piraten und des Kanusportrings zählt Hunderte von Kurz-, Ferien- und Wochend-Fahrten auf den Zuflüssen der Weser, auf Heideflüssen und auf Ems und Hase. Am wichtigsten waren aber die sommerliche Großfahrten (von 1950 bis 1975) auf Flüssen und Seen und an Meeresküsten im In- und Ausland, Fahrten in Skandinavien, Korsika, Dalmatien, Griechenland und Italien. Die Piraten und ihr »Big Old Joe« wollten auch außerhalb der umzäunten FKK-Vereinsgelände die Welt möglichst nackt erobern und natürlich auch darüber in Bild und Text berichten.

In seinen zahlreichen Publikationen (5) schilderte Ortil den Kanusport seiner »Hansischen Piraten« in der idealen Verbindung mit der Freikörperkultur.

Hajo Ortil vermachte in seinem 1981 verfassten Testament seine sexualwissenschaftliche Bibliothek, Archive und das gesamte Fotomaterial seiner Piraten der niederländischen Brongersma-Stiftung (6). Brongersma und Ortil sind sich 1965 begegnet und waren seitdem sehr gut befreundet. Sie hatten gemeinsame Interessen, so z.B. Sammlungen erotischer Photographien von Jugendlichen.

Ortil ging im September 1967 als Gymnasiallehrer in der Ruhestand.
Im Jahr 1975 hat er sich entschlossen, wegen seines Alters und nachlassender Gesundheit die letzte Reise mit den Piraten zu machen. Danach verbrachte er in seinem Bremer Haus die letzten Lebensjahre im Greisenalter und mit körperlichem Verfall.

Wenige Jahre vor seinem Tod bekannte sich Ortil öffentlich zu seiner Homosexualität in Verbindung mit der Vorliebe für Jugendliche - und er gab zu, im Laufe seines Lebens mit zahlreichen minderjährigen Jungen sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben.
Ein Umstand, der Hajo Ortil in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt und den man natürlich auch in keinem Fall gutheißen kann. Ein „schmerzender Dorn” in der Geschichte der Freikörperkultur angesichts der zahlreichen positiven Aktionen von Hajo Ortil.

Sollte man Hajo Ortil aus der Chronik verbannen ?
Nein, zwar sind die sexuellen Handlungen mit den Jugendlichen auf das schärfste zu verurteilen, aber nur die betroffenen Jugendlichen haben das Recht zu vergeben und zu verzeihen.


Erik Holm zum 60. Geburtstag über Hajo Ortil:

» Es ist ein wahres Vergnügen, einige Stunden in der Gesellschaft Hajo Ortils zu verbringen: man fühlt sich bei ihm sofort zu Hause. Die Wärme dieses temperament- und geistvollen Menschen strömt einem entgegen - man empfindet, dass sein herzliches „Willkommen, mein Junge!” (Hajo Ortil nannte alle Männer, die jünger waren als er „Junge”) wirklich von Herzen kommt.
Man kann sich mit ihm über alle Fragen unterhalten. Er ist ein intellektueller Bohemien, wie es nur wenige gibt, ein Typ, der besonders in der FKK sehr selten ist.
...
Seine Liebe zu den klassischen Philosophen, zur Antike, zur Geschichte überhaupt, kommt sehr oft zum Ausdruck. Wieviel hat es wohl für die vielen Jung-Naturisten, die mit ihm in Berührung kamen, bedeutet, dass er es verstanden hat, ihnen in populärer Form die Philosophie und das Leben der klassichen Denker nahezubringen!?
Philosoph, Humanist, Piratenkapitän, Weltenbummler, Pädagoge, Fotograf, Autor, Spassvogel und tüchtiger Koch in einer Person - das ist doch wohl etwas Einmaliges!
...
Charakterisch für Hajo Ortil ist sein großes Biedermeier-Zimmer mit Plüschmöbeln und dergl. mehr, welches in krassem Gegensatz zu der fortschrittlichen Person, die darin wohnt, steht. All das sind Beweise für die Vielfalt und den anscheinenden Widerspruch in seiner Natur, aber sie gehören alle zu seinem Wesen und geben in wunderbarer Harmonie das vollkommene Bild des einmaligen Menschen Hajo Ortil.
...
Quelle:
Das FKK-Porträt: Hajo Ortil - von Erik Holm - Der Naturist - Heft 58

 

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Aus dem Buch „Ortil's Naked Rebels”


Publikationen
Jahr Heftreihe Titel
1954SonnenfreundeParadies Korsika
1955HeliosAmazonen in Sonne und Baltenwind, Im Faltboot um Bornholm
1956HeliosEs brausen Bura und Maestral. Faltbootflottille im Kampf mit den Sturmwinden der Adria
1957HeliosHundert nackte Wilde
1957HeliosOlympiafahrt
1957SonnenfreundeWir schwingen über'n Sonnenhang – Lichtskifreunde aus aller Welt begegnen sich
1958Helios →  Hellas ewig unsre Liebe
1958HeliosDas Waldriff im Meer; idyllische Kajakfahrten in die Felsen- und Inselwildnisse Dalmatiens
1958HeliosNoch sprudeln die Quellen Arkadiens
1958Helios →  Wild und weit ist Korsika
1958HeliosAuf der blauen Straße der Delphine (7)
1961SonnenfreundeHolland, Ole! Eine Lustige Piraterie
1962SonnenfreundeZu den Inseln des Feuers - Mit dem Faltboot vom Ätna zum Stromboli
1963SonnenfreundeHinein in die Boote! Jugend, ahoi! Ein Appell
1964SonnenfreundeUnd Pan lebt doch! Wir fanden ihn an den Heide- und Weidesäumen der Hase und Ems
1964Buch / BildbandThe Boy - A Photographic Essay (9)
1964Buch / Bildband100 Naked Rebels (Guild Books, Washington)
1965Buch / BildbandYoung Savages (Schweden)
1967Freies LebenHinein in die Boote
1967Freies LebenGäste des Odysseus
1967Sun & HealthOrtil's Boys and Girls
1967Sun & HealthOrtil's Naturist Youth in Greece
1967Sun & HealthOrtil's Youth Ahoy
1968Freies LebenJugend am Start
1968Freies LebenMit Tom und Tanja in Finnland
1968Buch / BildbandOrtil's Canoe Pirates (8)
1969Buch / BildbandOrtil's Pan (8)
1969Buch / BildbandOrtil's Naked Rebels (8)
1970Freies LebenOrtils nackte Rebellen (Teil 1-3)
1972Buch / BildbandBoys are boys (8)
1972Buch / BildbandBoys are boys again (Boys are boys II) (8)
1972 Freies Leben Boys, olympic boys: Sittengeschichte der antiken Athleten
... und zahlreiche Einzelveröffentlichungen von seinem umfangreichen Bildmaterial


(1) - einige Quellen berichten, dass Hajo Ortil in einem Konzentrationslager war
(2) - Ortil sollte in Wien Geheimdienstinformationen sammeln
(3) - Klepper-»Blauwal«: Kanu-Faltboot für 2 Personen
(4) - der 23. Juli 1949 ist nach Ortil auch das Gründungsdatum der »Hansischen Fluss- und Seepiraten«.
(5) - erschienen auch in englisch, französisch, Niederländisch, schwedisch und dänisch
(6) - Die Stiftung des Abgeordneten Edward Brongersma setzte sich im Anfang (1979-1992) für die Rechte gleichgeschlechtlicher Pädophilie und Päderastie ein.
(7) - ohne Fotos wegen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften
(8) - erschienen im Verlag 'Book Horizons', bzw. 'Book Adventures' (Harrow, England)
(9) - USA, mindestens 1966 und 1967 neu aufgelegt und ist 1966 auch auf Deutsch unter dem Titel »Jungs bleiben Jungs«
(10) - ein großer Teil (besonders das gesamte Bildmaterial) der Stiftung wurde 1999 aufgrund der neuen Gesetzeslage vernichtet

Alle Bilder © Edward-Brongersma-Stiftung, Niederlande (10)

Quellen:
Diese Seite wurde zuletzt am 16.07.2023 aktualisiert.

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