Karl Wilhelm Diefenbach

» per aspera ad astra «


geboren:
21.02.1851 - in Hadamar (Hessen)
gestorben:
31.12.1913 - auf Capri



Karl Wilhelm Diefenbach gehört mit zu den großen Pionieren der Freikörperkultur.



Mit 15 Jahren erhielt er ein Stipendium an der Münchener Akademie der Künste.
Diefenbach hat aber nur wenige Monate mit dem Studium verbracht, da er es für ihn wichtiger war, für seine Familie zu sorgen. Dabei war es sein Ehrgeiz, seinen Eltern einen sonnigen Lebensabend zu bereiten. Auf seine Fehlzeiten angesprochen, antwortete Diefenbach: „Mein Beruf ist in erster Linie: Mensch zu sein.” - Das Stipendiat wurde ihm entzogen.

... vor seinem Haus Fidus bei der Arbeit Familienausflug mit Fidus Seine Frau mit zwei seiner Kinder

Kurz hintereinander sterben Mutter und Vater. Wenig später kam er wegen einer schweren Typhuserkrankung und einer Muskelvereiterung für 2 Jahre in ein Münchener Krankenhaus.
Ohne Aussicht auf Erfolg - die Wunden wollten einfach nicht heilen - verließ er das Krankenhaus.
Er vertraut der Natur - und als Vegetarier ist auf einmal eine Heilung in Sicht.
Aber die Zeit im Krankenhaus hatte auch eine gute Seite, denn Diefenbach nahm seine Pflegerin mit, die er wenig später heiratete.

Ihr erstes Kind, ein Junge und ein fast „lebensunfähiges Würmchen” wimmerte von der ersten Stunde an, bis der Vater es an die helle Sonne hinaustrug - da fand »Helios« sein erstes Lachen. Das »Sonnenbad« war entdeckt.

Es folgte eine Tochter mit dem Namen »Stella« und ein zweiter Sohn mit dem Namen »Lucidus«. Die Kinder wuchsen in Licht und Luft, in reiner Nacktheit, genährt von Früchten, kräftig heran.



1897 gründete Diefenbach die Kommune »Humanitas«, eine Werkstatt für Religion, Kunst und Wissenschaft und zog mit ihr in den Ort Himmelhof bei Wien. 25 Männer und Frauen erprobten hier eine alternative Lebensweise mit Gemeinbesitz, Nacktkultur, vegetarischer Ernährung, Naturfrömmigkeit und Spiritualität.



Diefenbach malte »Göttliche Jugend« in feinen Schattenrissen, denn die Schamhaftigkeit verbot es, das Geheimnis der nackten Schönheit ganz zu
enthüllen.

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Serie » Kindermusik «


Wie er lebte, passte nicht in das damalige Weltbild und so wurde Diefenbach immer öfters vor Gericht gezerrt und wegen »groben Unfugs« und Verletzung der öffentlichen Sittlichkeit, weil er »im Hemd und unbekleideten Unterschenkeln« umherlief, angezeigt.

Man veranlaßte seine Frau, sich von Diefenbach scheiden zu lassen, und - dem gerichtlichen Urteil (welches die Kinder dem Vater zugesprochen hatte) zuwider - ihm die Kinder heimlich zu entführen.
Nach dieser Katastrophe flüchtete er erst einmal in ein Krankenhaus, um wieder zur Ruhe zu kommen. Von hier aus diktierte er seinem Schüler Fidus nach älteren Entwürfen die Komposition des Schattenfrieses »Per aspera ad astra« (siehe unten).

Bericht aus der Münchner Post vom 2. 8. 1888:

»Lass' sie gehen, 's sind Diefenbacher«
- von diesem klassischen Rat will die Obrigkeit, die Gewalt über die Völker in und um Höllriegelsgereute hat, absolut nichts wissen. Im Gegenteil, sie lässt die Familie Diefenbach, welche in der Steinwüste „Humanitas” unweit dem akademischen Schlacht-, pardon Paukhaus in Gestalt von drei Mannspersonen, nämlich dem Meister, seinem Schüler und seinem ersten Sprossen, genannt Helios, ein ödes Einsiedlerleben fristet, durchaus nicht in Frieden, sondern beunruhigt sie fortgesetzt.
Schon einmal unter Anklage gestellt, weil er sein jüngstes Söhnchen im Alter von 9 Monaten nackt im Sonnenschein hin- und hertragen ließ, aber freigesprochen, weil das Gericht in dieser Aktion kein Verbrechen erblickte, erhielt der Meister Diefenbach vor 14 Tagen wiederum eine Anklage übermittelt, welche ihn beschuldigte, dadurch groben Unfug verübt zu haben, daß er an drei näher bezeichneten Tagen seinen Helios unbekleidet auf seiner Terrasse liegen ließ.
Sein Schüler, der Konditorssohn Hugo Höppener aus Lübeck, eine prächtige Jünglingsfigur mit Purpurwangen und wallendem Lockenhaar von schwarzer Couleur, offenem, aufrichtigem Blicke und unbeugsamer Entschlossenheit, wurde gleichfalls mit angeklagt. Er soll den noch größeren Frevel verbrochen haben, sich selbst in adamitischem Kostüm ins sonnenbestrahlte Gras gelegt zu haben, seinen Allerwertesten unehrerbietig gen Himmel gerichtet.
Vor ein paar Tagen war die Verhandlung vor dem Wolfratshausener Schöffengericht. Hier erschien der Schüler Höppener zugleich in Vertretung seines Meisters, der infolge seines Leidenszustandes verhindert war, selber nach dem vier Stunden entfernt gelegenen Wolfratshausen zu pilgern. Höppener bestritt die Tatsache der nackten Uniform der »Familie Diefenbach« nicht, allein er erklärte, ihre Kleiderordnung sei sanitär und ethisch, das non plus ultra moderner Erkenntnis und »Gott wohlgefällig«.
Was die Anklage groben Unfug nenne, sei in Wirklichkeit die in die Tat umgesetzte bessere Einsicht, die unmöglich bestraft werden könne, weil nirgends geschrieben stehe, dass die Befolgung des Besseren und dem Menschen sittlich und physisch Zuträglicheren eine »Sünde vor Gott« sei.
Was aber Gott nicht geniere, könne auch von den Menschen nicht als »grober Unfug« bezeichnet werden. So sei seine und seines Meisters Meinung. Im übrigen verlasse von ihnen, so lange ihr Körper die Wonnen der Luft- und Sonnenbäder genieße, keiner das durch üppiges Busch- und Strauchwerk eingefriedete, vom Wege abgelegene Territorium und wenn ein Mensch, der aber in diesem Falle schon eine recht sündengeile Kreatur sein müsse, Ärgernis nehmen wolle, sei er genötigt, erst den Weg zu verlassen, auf die Terrasse ihrer Einöde zu klettern und dann aus dem Gebüsch heraus oder gedeckt durch das Haus sie heimlich abzulauern, bis sie in sich die Lust verspüren, nach ihrer Art im Sonnenschein ein luftiges Bad zu nehmen.
Der als einziger Zeuge erschienene Gendarm bestätigte, dass er sich nicht hätte »ärgern« können, wenn er sich nicht insgeheim an die »Grobe Unfugsstätte« herangeschlichen hätte, allein der Gendarm musste Ärgernis nehmen, er hatte den Befehl dazu.
Der Amtsanwalt und mit ihm das hohe Schöffengericht nahmen aber hievon keine Notiz; sie erklärten die Kleiderordnung Meister Diefenbachs für eine »Schweinerei« und horribile dictu! — für eine fortgesetzte Verhöhnung der Obrigkeit und hielten eine empfindliche Freiheitsstrafe für durchaus angemessen.
Das Urteil lautete beim Meister auf 3 mal 14 Tage, also 6 Wochen Haft, beim Schüler auf 5 Wochen und 2 Tage Haft extra wegen Achtungsverletzung, die er dadurch begangen habe, dass er die heiligen Hallen vom Wolfratshausener Amtsgericht barfuß betrat.
Befragt, ob er sich dem Urteilsspruche unterwerfen wolle, antwortete der junge Mann mit klassischer Kühne, die sehr erheblich von der Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit des Amtsanwaltes und amtierenden Amtsrichters abstach, er und sein Meister - beide seien entschlossen, das Rechtsmittel der Berufung zu ergreifen.
Der zweite Akt spielt sich nunmehr vor dem Landgericht München II ab.




Diefenbach und Fidus


Eine Ausstellung in München endete erfolglos, wurde von den Besuchern nicht angenommen. Eine kurz darauf folgende Ausstellung des »Österreichischen Kunst Vereines« in Wien hingegen war ein großartiger Erfolg, der jedoch für den Künstler Diefenbach in einer Katastrophe endete, denn der Direktor unterschlug den gesamten Gelderfolg der achtmonatigen Ausstellung.

Nach zwei Jahren kehrte Diefenbach nach Wien zurück. Dabei schien es so, als würde sich die Stadt für das begangene Unrecht entschuldigen, indem eine »Ehren-Vereinigung zur Rettung K.W.Diefenbachs« von vielen Wienern Persönlichkeiten ins Leben gerufen wurde. Eine weitere Ausstellung scheiterte jedoch an der Politik.



Diefenbach war verarmt - eine gerichtliche Schätzung der Gemälde brachte an Aktiva allein 40000 Gulden, gegenüber 18000 Gulden Passiva. Das Konkursgericht erkannte die Konkurs-Erklärung an. Die Presse triumphierte, als sie vom Konkurs Diefenbachs erfuhr:

• » Meister des Nichtstuens « (Neues Wiener Tagblatt)
• » endlich zur Strecke gebracht « (Ostdeutsche Rundschau)

Es folgte eine Versteigerung der Werke, die die Wiener acht Monate lang in Begeisterung versetzt hatten - zu Schleuderpreisen. Kolossalgemälde, als für Privatbesitz ungeeignet erklärt, wurden zerschnitten und als Malleinwand (Rückseite) verkauft. Das Fries »per aspera ad astra« konnte durch einen Freund Diefenbachs gerettet werden.

So wurden hunderte von Bilder in alle Winde zerstreut.



Karl Wilhelm Diefenbach starb 1913 an den Folgen einer Lungenentzündung. Die letzten Diefenbach-Werke auf Capri wurden von seinem Sohn Lucidus gehütet.
Seine Urne stand noch 1927 vergessen in einem Krematorium in Rom.



» per aspera ad astra «

» auf rauhen Wegen zu den Sternen «
oder
» auf rauher Bahn zu den Sternen hinan «


Lange Zeit wurde Fidus die alleinige Urheberschaft zu diesem Fries zugeschrieben. Fidus hat zwar bei der Planung und der Entstehung geholfen, doch dieses monumentale Werk stammt in allen Zügen von Diefenbach: ein heiteres Panorama voller Jugend, Schönheit und Harmonie. Immer wiederkehrend als Motive, seine drei Kinder.
Das 68m lange Fries ist im Stadtmuseum Hadamar ausgestellt und ein Besuch wert.
Die von Lucidus gehüteten restlichen Bilder kann man im Museum auf Capri sehen.

» Per aspera ad astra « ist nicht nur der Titel von diesem Fries, sondern umschreibt auch das Leben von Karl Wilhelm Diefenbach.

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