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Naturismus und die Jagd

Jäger ... „Naturist” oder „Nudist” ?


von Michael Otto

„Naturismus ist eine Lebensart in Harmonie mit der Natur, sie kommt zum Ausdruck in der gemeinschaflichen Nacktheit, verbunden mit Selbstachtung sowie Respekt gegenüber Andersdenkenden und der Umwelt.” (1)

Wie komme ich auf dieses Thema ?
Schon seit längerer Zeit frage ich mich, ob man sich „Naturist” nennen kann (darf), wenn man selbst der Jagd nachgeht und Tiere tötet, oder dabei hilft, zum Beispiel als Treiber.
Der erste Teil der obigen Definition sagt ja bereits schon einiges aus: „Naturismus ist eine Lebensart in Harmonie mit der Natur,...”.
Man mag sich diese Worte im Munde zergehen lassen ... „in Harmonie mit der Natur” - also im Einklang mit der Natur, die sich hier nicht nur auf die Flora (die Pflanzenwelt) beschränkt, sondern auch die Fauna (die Tierwelt) mit einbezieht. Die Begriffe »töten« und »erschiessen« passen so überhaupt nicht in das Bild von Harmonie und Einklang, sie gehen einher mit Gewalt, einer Gewalt gegen lebende Wesen, gegen Tiere.

Da dies so auch nicht mit dem Begriff „Naturist” zusammenpasst, kann man sich als Nackter und als Jäger allenfalls als „Nudist” bezeichnen.
Dabei möchte ich nicht außer acht lassen, dass ich auch Angler und Schlachter, sofern sie der Freikörperkultur nachgehen, dann nicht als „Naturisten”, sondern ebenfalls als „Nudisten” ansehe/bezeichne.

Der Mensch braucht die Natur, die Natur den Menschen nicht. Der Mensch ist Teil der Natur, er ist ihr nicht übergeordnet.
Erst wenn er das begreift, hat er eine Überlebenschance.

Richard Freiherr von Weizsäcker (1920 - 2015)
Deutscher Jurist, CDU-Politiker und von 1984-1994 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland


Darf man als Naturist denn Fleisch essen ?
Ja, der Mensch ist nun einmal, wie zahlreiche Tiere auch, ein „Alles-Esser”. Nur sollte man beim Einkauf auf die Herkunft des Fleisches achten und bewusst auswählen. Zur Abwechslung kann ja auch ruhig einmal »Fleisch-Ersatz« auf den Tisch kommen ... schmeckt auch (weiß ich aus eigener Erfahrung).

Respekt gegenüber der Umwelt
Hier kommen wir zu dem letzten Teil der obigen Definition von Naturismus, dem Respekt gegenüber der Umwelt.
Respekt gegenüber der Umwelt, und hier ganz speziell gegenüber Tieren, kann man meiner Meinung nach auf zweierlei Wege Genüge tun. Am einfachsten geschähe es dadurch, das Tier einfach am Leben zu lassen. Wollen/möchten wir aber Fleisch essen, so sollten wir uns bewußt machen, dass das Stückchen Fleisch, welches wir da gerade auf dem Teller haben, einmal gelebt hat und Teil eines Rindes, Schweines, Hühnchen oder sonst einem Tier gewesen war. Mit Sicherheit hat sich dieses bestimmte Tier nicht freiwillig davon getrennt ... dazu musste es sein Leben lassen.

Fleisch-Esser  —  Genuss-Esser ?!
Hierzu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen, die auch so passiert ist:
Zusammen mit Freunden war ich (bereits vor längerer Zeit einmal) Essen. Ein Gast am Nebentisch hatte sich Reh-Medaillons bestellt ... für etwas über 20 €. Das Essen kam und meine Fassungslosigkeit begann. Auf dem Teller befanden sich drei Reh-Medaillons, Kartoffeln mit einer angedickten braunen Sauce mit Pilzen, dazu Preisselbeeren und ein bischen Deko-Gemüse. Der betreffende Gast schnitt ein Stückchen von dem Fleisch ab, ertränkte es dann in der dicken, braunen Sauce und klatschte darauf dann noch eine Portion Preisselbeeren. In dieser Kombination verschwand das Fleisch in seinem Mund. Angesichts der Geschmacksexplosion geriet der Gast förmlich in Ekstase: „Hmmm, lecker, köstlich”, konnte ich hören.
Hätte er das Stück einer Currywurst auf die gleiche Weise zu sich genommen, das Geschmackserlebnis wäre das gleiche geblieben, denn er hat bestimmt alles geschmeckt, die braune Sauce, aber vor allem die Preisselbeeren, nur nicht das pure Fleisch.

Wissen wir denn überhaupt, wie Fleisch schmeckt ?
Ich wage dies zu bezweifeln, denn ohne einen »Geschmacksverstärker« kommt das Fleisch bei uns ja selten auf den Tisch, oder bratet Ihr das Fleisch mit Selters-Wasser?
Meistens essen wir Fleisch doch mit Saucen, zusätzlich auch mal paniert - da kann man dann doch gleich auch ein Stück Tofu in die Pfanne hauen ...

Dann noch das „gewonnene” Fleisch aus Treibjagden ... kein Wunder, wenn Jäger die toten Tiere billig verkaufen oder gar verschenken. Die Tiere sind so gestresst, dass sich die ganzen Katecholamine und Glukokortikoide (→ Stresshormone) im Fleisch festsetzen, das Fleisch folglich nicht mehr richtig „schmeckt”.

Fleisch vom Wild ist gesund !?
In zahlreichen Bundesländern haben Messungen ergeben, dass besonders Wildschweine mit Cäsium-137 (2) belastet sind ... auch knapp 30 Jahre nach Tschernobyl (1986). 90% der gejagten Tiere sind wegen überhöhter Radiocäsiumbelastung für den menschlichen Verzehr nicht geeignet (3). Reh-Wild dagegen ist nicht so hoch belastet. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat noch keine Entwarnung gegeben (4). Hinzu kommt, dass das Wildbret durch Blei kontaminiert ist, sie gehören zu den am höchsten mit Blei belasteten Lebensmitteln. Ursache dafür ist die in Deutschland üblicherweise bei der Jagd verwendete Bleimunition (6). Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (5) hat eine entsprechende Warnung herausgegeben.

Das Märchen vom gesunden Bio-Fleisch
Wenn Wildfleisch als „BIO”-Fleisch deklariert wird, so ist dies eine Irreführung und Täuschung der Verbraucher, denn der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hat schon 2017 deutlich gemacht, dass Wildfleisch grundsätzlich nicht als „BIO” beworben werden darf: (Zitat) „Erzeugnisse aus der Jagd gelten nicht als »ökologisch« oder »biologisch«.„ (Zitat - Ende) (8)
Anders sieht es aus, wenn ein Erzeuger Rehe, Hirsche oder Wildschweine nach ökologischen Kriterien in einem Gehege hält und daraus Fleisch erzeugt, was dann allerdings den Jägern nicht gefällt.

„BIO” ist auch nicht möglich, da die wild lebenden Tiere zu einem großen Teil auch stark mit Umweltgiften belastet sind. Abgesehen von der hohen Cäsium-Belastung in den östlich gelegenen Bundesländern, ist die Belastung in den anderen Bundesländern mit Umweltgiften (z.B. Flammschutzmittel) extrem hoch. (9)

Zurück zur Jagd ...
Zahlreiche der getöteten Tiere, meist kleinere Tiere, werden auch einfach „entsorgt”, weil sie durch die Munition (Streumunition) regelrecht zerfetzt wurden - diese Tiere sind dann auch noch umsonst gestorben !

Aber in der Steinzeit hat man ja auch gejagt !
Ja, klar. Wie schon erwähnt, sind wir Menschen „Alles-Esser”, nur wurde die Beute damals auch ganz anders verwertet. Was wir heute als Fleischabfälle werten, wurde damals auch gegessen. Aus dem Fell wurde Bekleidung und aus den Knochen wurde Werkzeug, Schmuck und ähnliches hergestellt.

Soweit zum Thema »Jagd« - die anderen Aspekte, die gegen die Jagd sprechen, lasse ich hier einmal außen vor.

Herr über Leben und Tod
Nein, ich mag es nicht, wenn sich der Mensch als „Herr über Leben und Tod” erhebt, bestimmt und entscheidet, wer (was) zu leben hat und wer (was) sterben muss. Auch Tiere haben das Recht zu leben ... und Menschen, die sich darüber hinwegsetzen, leben doch nicht in Harmonie mit der Natur, da sie ja Teile daraus einfach zerstören, töten. Auch Tiere haben Gefühle, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei einem Menschen - Tiere empfinden Schmerzen, wie auch wir Menschen.
Nein, Harmonie und Einklang mit der Natur ... sind da etwas ganz anderes. Wenn man einmal einen prächtigen Hirsch im Wald oder auf einem Feld beobachten kann, dann ist dies ein erhabener Anblick. Er ist nicht nur ein Teil der Natur, er ist die Natur. Und wer einmal eine Wildschwein-Rotte erlebt hat (nicht ganz ungefährlich), wird feststellen, wie sozial diese Tiere doch sind. Leben und leben lassen ! Dies gilt natürlich auch für die anderen, wild lebenden Tiere.

Jagd ... ein schneller Tod für die Tiere ?
Leider nicht. Nur jeder dritte bis vierte Schuss ist für das Tier sofort tödlich. Die übrigen Tiere (die angeschossenen Tiere) leiden noch lange Zeit, bis sie gefunden und erlöst werden können - wenn sie denn gefunden werden. Hinzu kommt eine hohe Fehlerwahrscheinlichkeit bei Jagd in der Dämmerung und Bewegungsjagden, die sogar von der Zeitschrift „Unsere Jagd(7) bemängelt wurde.
Ich brauch mir nur die Jagd auf Wasservögel vorstellen, wie da ein Jäger mit Streumunition in einen Schwarm Wildenten schiesst, wie viele Tiere werden getroffen - und wie ? Wie viele sind sofort tot ?

• Die Tiere sind uns von der Schöpfung (in Folge der Evolution) anvertraut worden, nicht ausgeliefert !

• Wir haben das große Glück, als Menschen geboren worden zu sein !

• Auch wenn ich dieses Thema mit der »Jagd« etwas überfrachtet habe, so vergesse ich dabei auch nicht die Massentierhaltung.

Anmerkung
Die Begriffe „Naturist” und „Nudist” haben in dem nicht-deutschen Sprachraum eine leicht abgewandelte Bedeutung. So bezieht sich mein Essay nur auf den deutsch-sprachigen Raum.

Über das Thema »Jagd« bin ich durchaus gut informiert, kenne die Argumente beider Seiten. In meinem persönlichen Umfeld habe ich zwei Freunde,
die in Besitz eines Jagdscheines und jeweils einer gültigen Jagdlizenz sind, wobei nur einer von ihnen (leider) tatsächlich die Jagd ausübt.

Epilog
Dieses Essay ist natürlich nur meine Meinung, die ich mit ein paar Fakten „untermauert” habe. Wer unbedingt jagen will ... verbieten kann ich es ihm nicht, ich finde es nur sehr schade um die Tiere - Tiere, die wie wir Menschen auch leben möchten.

 

(1) - Definition des Begriffes „Naturismus” der INF (Internationale Naturistenföderation)
(2) - Wald- und Forstwirtschaft Sachsen, Bayerisches Landesamt für Umwelt und weitere
(3) - Manfred Hofmeister, u. Jagdbehörde des Landratsamts Regen (Bayerischer Wald)
(4) - Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)
(5) - Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
(6) - In den USA, den Niederlanden, Dänemark und Schweden ist die Verwendung von bleihaltiger Munition bei der Jagd nicht erlaubt.
(7) - Zeitschrift „Unsere Jagd”, Sonderdruck 2008: „Wildbrethygiene”
(8) - Verbraucherzentrale → Lebensmittelklarheit
(9) - Saarbrücker Zeitung vom 8. August 2017 → Saar und Warndt stark mit Umweltgiften belastet

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