Skiparadies


Fern, weit weg von der großen Stadt, weiß ich über einem Tal, ganz in der Einsamkeit ein Skiparadies. So nennen Schneeläufer hochgelegene Berggebiete, wo zwischen
aussichtsreichen Gipfeln und am Fluß schneeiger Bergflanken, ganz in weiße Watte eingewummerlt ein bescheidenes Heim liegt, darin man laufen kann.

Und die Sonne brennt heiß und der Schnee schluckt ihr Licht und ihre Kraft nicht auf und da fallen von uns die Hüllen.
Im Schnee wälzen wir uns wie zur Sommerszeit im heißen Sand, daß die Sonne uns darauf um so wohliger durch-
glühen kann.
Und den Ski am Fuß als einzig Kleid schweben wir schwingend die Hänge hinab, sogar über den Sprunghügel, frei wie
der Vogel in der Luft. Bis die Abendlichter im Schnee glühen und der Jochwind kommt.

Silberne Reinheit und goldene Sonne, blauer Himmel und violette Schatten und das satte Grün ragender Tannen und
Zirben ¹, so sind die Farben des Skiparadieses. Der Schnee ist da oben immer das getreue Spiegelbild des Himmels.
Darum sind die Schatten im Schnee ein lichtes Blau, wenn die Sonne hoch im Zenit steht.

Und weil der Schnee in kalter Nacht dem Schneelauf noch holder gesinnt ist als unter warmer Sonne, bin ich im Zweifel,
ob der Lauf durch die Vollmondnacht nicht noch schöner und stimmungsvoller ist als der Tag.

In mühsamen Erschließungsarbeiten mußten wir die neue Schönheit uns nach und nach erkämpfen, mußten Wege
bauen und Raststätten und uns mit Erfahrungen wappnen gegen Gefahren, die immer und überall wie Drachen als
schlingende Lawinenlindwürmer neben funkelnden Schätzen lauern.

Denn die Schönheit der Skiparadiese führt neben sich auch eine neue Gesundheit. Wir heilen mit Licht und Kälte, mit
dem Odem der Höhe und mit emsiger, sportlicher Bewegung, was ehedem in Wolle vermummt in den dunklen Ofen-
winkel geschoben wurde und elend verbutzelte.

Alles Leben kommt von der Sonne.

¹: Zirbe → Zirbelkiefer auch „Königin der Alpen”, Arbe oder Arve genannt.

Quelle:
• Bilder und Text: Carl J. Luther aus: „Die Schönheit” - Heft 11 / 1922

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