Adolf  Koch

Adolf  Karl  Hubert  Koch (1)

Adolf Koch
Geboren:
Gestorben:
09.04.1896 in Berlin
02.07.1970


Vater Karl Koch, gelernter Tischler, war Feuerwehrmann, wobei Adolf ihn in seinem Lebenslauf als »Brandmeister« bezeichnete. Mutter Pauline Koch, geb. Krause, war Hausfrau und Mutter. Adolf hatte noch eine anderthalb Jahre jüngere Schwester. Aufgewachsen sind die beiden im Berliner Stadtteil Kreuzberg, in der Hagelberger Straße 26.
Einschulung im Jahr 1902, ab 1903 Volksschule mit Abschluß im Jahr 1911.
Am 14. September des gleichen Jahres wurde Adolf Koch in der evangelischen Passionskirche konfirmiert(2).

Nach Beendigung der Volksschule trat Adolf Koch in die Präparandenanstalt
(3) von Kyritz(4) ein. Diese Ausbildung brach er 1914 ab und meldete sich als Kriegsfreiwilliger. Er war nicht vom Krieg besessen, sondern sah darin die Chance den Zwängen und der strengen Ordnung der internatsähnlichen Anstalt zu entfliehen.
Adolf Koch wurde als Sanitätssoldat (Pfleger) eingesetzt. Seinen Dienst verrichtete er in verschiedenen Lazaretten in Frankreich und Rußland
(5) . Alle Vorgesetzten waren mit der Arbeit von Adolf Koch sehr zufrieden.
Diese hervorragenden Dienste wurden am 16.01.1916 mit der »Rote Kreuzmedaille dritter Klasse« gewürdigt - eine für einen einfachen Soldaten hohe Auszeichnung.

Nach Beendigung des ersten Weltkrieges kehrte Adolf Koch nach Berlin zurück und nahm im Früjahr 1919 die abgebrochene Lehrerausbildung wieder auf, welche er im Herbst 1920 mit dem 1. Staatsexamen abschloß.
Neben der Ausbildung zum Volksschullehrer begann Adolf Koch zusätzlich das Studium an der „Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität”, der heutigen Humboldt-Universität, in Berlin. Er wurde am 03.06.1919 unter der Matrikelnummer 5537109 immatrikuliert und gehörte der Philosophischen Fakultät an
(6) . In seinem Lebenslauf gibt Adolf Koch die Fächer Pädagogik und Medizin an. Schwerpunkt seines Studiums war das Thema »Hygiene«, wie auch die belegten Vorlesungen beweisen, darunter auch zwei über die »Psychologie der Frau« von Professor Lipmann, auf welchen Adolf Koch später bei eigenen Vorträgen immer wieder zurück kommt.

Man kann durchaus anmerken, dass Adolf Koch bis zum Jahr 1919 mit der Freikörperkultur nichts zu tun hatte.

Erst mit dem Thema »Hygiene« fing Adolf Koch an, sich auch für die Freikörperkultur zu interessieren. Er las FKK-Magazine, wie „Die Schönheit” und besuchte Cabarets mit Nackttanz. Bei letzterem war Koch besonders von der Ausdrucksstärke und der tänzerischen Eleganz von Della de Waal
(7) fasziniert.

Direkt im Anschluß an seine Lehrerausbildung (September 1920) ging Adolf Koch in den Schuldienst und wurde Klassenlehrer der 4. Mädchenklasse einer Volksschule in Berlin-Kreuzberg (Cottbusser Tor). Er versuchte gleich, seine reformerischen Vorstellungen von einer „neuen Erziehung” zu verwirklichen. Darunter fiel u.a. das Verhältnis von Geist und Körper auf eine neue Grundlage zu stellen. Der Schulsportunterricht wurde seiner Meinung nach zu sehr stiefmütterlich behandelt und beschränkte sich lediglich auf gleichförmige und langweilige Turnübungen. Hinzu kam die fehlende Körperhygiene, die er beklagte:

Zitat - Koch:
„ Es ist eine weit verbreitete Gewohnheit, nur Hände und Gesicht täglich, aber die Füße nur zweimal in der Woche, und den ganzen Körper gar nur alle acht bis vierzehn Tage zu waschen. Vom Baden ganz zu schweigen.” (Zitat - Koch - Ende)
Mit kleinen Anforderungen fing Adolf Koch an: die tägliche Säuberung der Fingernägel. Dazu wurde eine Mitschülerin als „Reinigungskommissarin” gewählt, die jeden Tag die Hände und Fingernägel ihrer Mitschülerinnen kontrolliert. Ungefähr eine Woche später kam die Zahnpflege hinzu. Ziel war es, die Mädchen zu einer täglichen Grund-Hygiene zu bewegen - mit sichtbarem Erfolg: saubere, gesunde und fröhliche Kinder.

Adolf Koch aber erkannte, dass eine hygienische Körperpflege für eine umfassende Körpererziehung allein nicht ausreicht. Er begann 1921 mit einer Gymnastikausbildung in der »Schule für Körpererziehung und Bewegungsbildung« in Berlin-Charlottenburg, welche von Anna Herrmann-Müller geleitet wurde. Zu dieser Zeit kam gerade der Ausdruckstanz in Mode, Gefühle und Stimmungen in Bewegungen auszudrücken, darzustellen. Hinzu kamen die teilweise recht unterschiedlichen Gymnastik-Methoden von Bess M. Mensendieck, Rudolf Bode, Emil Jaques-Dalcroze, Dora Menzler und letztlich der Loheland-Gymnastik.

Adolf Koch tendierte zu den gymnastischen Übungen nach Dora Menzler, denn sie hatte die Vorzüge der unterschiedlichen gymnastischen Systeme zusammengebracht

Eine erfolgreiche Körpererziehung war für Adolf Koch nur möglich, wenn die gymnastischen Übungen in völliger Nacktheit durchgeführt wurden. Anna Herrmann-Müller und auch Dora Menzler waren von dieser Idee begeistert und unterstützten Adolf Koch.


» ... genaueste Beobachtung jenes unendlich reichen Ineinanderspiels von Muskel- und Gelenkfunktion und
Skelettform, auf die beständige Wahrnehmung jedweder Veränderungen in Bau und Funktion und Ausdruck
des Körpers. Es ist nicht zu denken, wie sich der Gymnastiker in dem ungewöhnlich komplizierten Gebilde
des menschlichen Körpers zurechtfinden soll, wenn man ihn nicht, wie dem Arzt und dem Künstler, die
Möglichkeit einer beständigen Detailbetrachtung geboten wird.«
(8)

So bestärkt, entwickelte Adolf Koch gymnastische Übungen speziell für Kinder. Die Freude an der Bewegung, den Spieltrieb und das phantasievolle Vorstellungsvermögen der kleineren Kinder flossen in diese Übungen mit ein. Für die älteren Kinder entwickelte er Arbeitsübungen, die u.a. auf Schwer- und Schwungkraft beruhten.

Adolf Koch war es sehr wichtig, dass Jungen und Mädchen gemeinsam (nackt) übten, denn die Kinder sollten auch Ehrfurcht und Achtung vor dem (nackten) Körper des anderen Geschlechts erlernen und erleben, dass Nacktheit an sich, nichts sexuelles beinhaltet.

1923 beendet Adolf Koch seine Gymnastiklehrerausbildung. An der Kreuzberger Schule führte er die von ihm entwickelte Gymnastik aber nicht ein. Bei Klassenausflügen kam es schon mal dazu, dass man in abgelegenen Seen nackte badete, mehr jedoch nicht.

Am Ende des Schuljahres 1920/21 musste Adolf Koch diese Schule verlassen: er soll einem Mädchen in unzüchtiger Weise unter den Rock gegriffen haben. Adolf Koch bestätigte zwar, dass er das Mädchen angefaßt habe, jedoch in Form von einer ärztlichen Untersuchung (medizinische vorgebildet war Adolf Koch). Das betreffende Mädchen wurde mit Verdacht auf eine Blinddarmentzündung ins Krankenhaus gebracht.

Adolf Koch wurde trotzdem strafversetzt. Er kam an eine Schule im Berliner Osten, hier hatte er es mit schwer erziehbaren Kindern zu tun. Interessant jedoch ist, dass Adolf Koch durch diese Strafversetzung erstamls Kontakt zur Freikörperkultur fand. Einige der Eltern hatten sich zu einem »Freundschaftskreis« zusammen gefunden, um in der Freizeit etwas für ihren Körper zu tun, eine formelle Vereinssatzung gab es nicht. Die Kinder bildeten die Gruppe „Jugendgilde Sonnenland”.
Adolf Koch sah eine wunderbare Möglichkeit, „seine” Gymnastik in diese Vereinigung einzubringen. Eltern und Kinder versammelten sich jeden Samstag im Jugendheim Mariannenufer 1a zur Gymnastik. Hierbei handelte es sich zunächst nur um die Gymnastik für 10- bis 13-jährige Jungen und Mädchen, die im Beisein der Eltern und in völliger Nacktheit gemeinsam turnten.

Ende 1922 brachte er die gymnastischen Übungen auch in seinen Schulunterricht mit ein, wobei die Kinder zunächst nicht nackt turnten, sondern mit einer Badehose bekleidet waren. Rektor Ruthe bescheinigte, „dass Adolf Koch für den Gymnastikunterricht im besonderen Maße geeignet sei.”
Adolf Koch wollte aber die Nacktheit mit einführen, als wesentlichen Bestandteil der von ihm entwickelten Übungen. Adolf Koch wusste aber auch, dass er im normalen Schulbetrieb die Nacktheit nicht einführen konnte, so suchte er Hilfe bei den Eltern seiner Schülerinnen und Schüler, woraus sich im Juni 1923 die »Elterngruppen für freie Körperkultur« gründeten. Auch die Eltern mussten sich zur Einhaltung der hygienischen Grundregeln verpflichten, denn das Thema „Hygiene” verlor Adolf Koch nie aus den Augen.

Als Übungsort dienten ihm Klassenräume und Aula außerhalb der Unterrichtszeiten.

Natürlich reichten diese Räumlichkeiten dann irgendwann nicht mehr aus, eigene mussten her...


Zeitungsausschnitt aus »Der Abend«,
Berlin , vom 28. September 1962

Bericht über das Adolf-Koch-Institut.

Ein unbeirrbarer Pionier der FKK-Bewegung und der Nacktgymnastik
Den großen Erfolgen seiner Gymnastik-Schulen gingen harte Kämpfe voran. Dabei waren die Gerichts-Prozesse, in Gang gesetzt von verklemmten Moralaposteln, noch nicht einmal so schlimm, denn zu einer Verurteilung (im negativen Sinne) kam es nicht.
Härter jedoch traf ihn das totale Verbot durch die Nationalsozialisten. Seine Institute wurden geschlossen, unter anderem auch, weil er sich weigerte, sich von seinen jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern freiwillig zu trennen. Seine Schriften standen in der Liste der »Verbotenen und undeutschen Bücher« und wurden in der sogenannten Reichs-Kristallnacht in Berlin öffentlich verbrannt.

Seine Institute:
Diese „neue” Form der Gymnastik, in Zusammenhang mit seiner Auffassung naturgemäßer Lebensweise, versuchte Adolf Koch auch in der Schule durchzuführen - natürlich mit der entsprechenden Einwilligung der Eltern. Da konnte es auch nicht lange bis zu seinem ersten Prozess dauern. Adolf Koch kämpfte weiter, zog aber seine Konsequenzen und trat aus dem öffentlichen Schuldienst aus und begann mit dem Aufbau eines Institutes für Freikörperkultur.
13 (!) Schulen konnte Adolf Koch in Deutschland aufbauen.
Deren Programm bestand aus:
Der Mensch, das Individuum - war immer Aufgabe und Ziel seiner Arbeit.

Wer einmal die „alten” Dokumentationen über die Freikörperkultur im Fernsehen ansieht, wird sich bestimmt an den Part erinnern, in welchem von Adolf Koch die Rede ist. Zu seltsam erscheinen uns heute die Bilder und Filme aus seinen Gymnastikschulen: Familien, Erwachsene, Kinder und Jugendliche, die nackt durch einen Raum tanzen, springen und hüpfen und dabei nach den Anweisungen Adolf Kochs agierten. Seltsam sah es zwar aus, war aber für die Bewegung der Freikörperkultur ein enorm großer Schritt.

In Berlin bestand sein Institut in der Friedrichstraße, FKK-Schwimmen und FKK-Gymnastik fanden im Stadtbad Mitte (Gartenstraße) statt. Zudem verfügte er in Selchow ein stattliches Gelände mit Sport- und Spielplätzen, einem See und Baracken.

... bis zu dem Verbot durch die Nationalsozialisten. Aber Adolf Koch liess sich nicht beirren und arbeitete illegal weiter, half vielen Juden und NS-Verfolgten.
Offiziell war er während des Krieges u.a. als Leiter für Verwundetensport und der Nachbehandlung von Versehrten (Schloß Marquart, Berlin) einberufen.

In erster Ehe war Adolf Koch mit Ilka Dieball verheiratet. Ilka Dieball war auch seine Assistentin und später auch (mit) Schulleiterin der Körperkulturschule Adolf Koch in Berlin.
(9)

Nach 1945 begann er sofort wieder mit dem Aufbau eines neuen Institutes, welches bald als »Freie Schuleinrichtung« vom Berliner Senat anerkannt wurde. In regelmäßigen und öffentlichen Vorträgen zeigte er seine Arbeiten und warb natürlich auch für die Freikörperkultur.
Der DFK distanzierte sich jedoch von den Arbeiten Adolf Kochs und schloss ihn 1964 aus dem Verband aus.

Adolf Koch wurde dann später rehabilitiert (Datum noch unbekannt)

Am 2. Juli 1970 verstarb Adolf Koch.


Auswahl an Publikationen:


Körperkultur
und Erziehung

Adolf Koch
Gymnastik

Der natürlich
bewegte Leib

Der nackte Mensch
in der Bewegung

Textauswahl:

• - Bericht über die FKK und dem »Menschen« Adolf Koch
• - Unsere Gymnastik
• 1931 - Protestversammlung in Berlin
• 1932 - Nacktheit und sozialistische Aufbauarbeit
• 1967 - Möglichkeiten für Einsame


Quellenangaben:
(1)- Taufschein vom 8. Mai 1897
(2)- Konfirmationsschein vom 17.09.1911
(3)- Präparandie: Lehrerbildungsanstalt Volks-, bzw. Grundschullehrer
(4)- Kyritz liegt Richtung Hamburg, in der Nähe von Perleberg
(5)- Seuchenlazarett Tomaschow (29.06. - 01.08.1915)
- Lazarett Bialystock (30.08. - 29.09.1915)
(6) - Lebenslauf vom 15.08.1945. Allerdings gibt es keine eindeutigen Nachweise über die belegten
   Fächer und die absolvierten Semester. Gemäß Anmeldebuch sind es 4 Semester, wobei Koch in seinem Lebenslauf 6 Semester angibt.
(7)- Della de Waal, berühmter Nackttänzer nach dem 1. Weltkrieg (Weigelt - 05.10.1983)
(8)- Anna Herrmann-Müller - Die Bekleidungsfrage in der Körpererziehung
(9)- Inka Dieball - »This Nude World«

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